Heilung, Gift & Magie

[aus ZAK 27] Einen kleinen Abriss der Medizingeschichte ergeben die Beiträge, die Zeitreisende zur Sondernummer 242 B einsandten. Günter Hinze, Wien 8, beginnt seine Bemerkungen mit der Antike: 

„Bei den Griechen lag die Medizin zunächst in den Händen des Heilgottes Asklepios.Seine Heilkunst stützte sich ausschließlich auf die Religion. Die eigentliche Entwicklung der sogenannten rationalen Medizin entstand unter Hippokrates von Kos (um 460 v. Chr. – um 375 v. Chr.). Dabei wurde der kranke Körper beobachtet und unter Einflussnahme auf seine Zusammensetzung (Annahme von vier Körpersäften, Anm.) versucht, seine Selbstheilung zu unterstützen. In Alexandria entstand ein großes Zentrum für medizinische Ausbildung und Forschung, dabei entstanden verschiedene Gruppen und Theorien. In dieser Zeit wurden große Entdeckungen gemacht, da im offenen (gesellschaftlichen, Anm.) Klima Sektionen an Menschen und Tieren möglich waren.

Von Alexandria kam die Heilkunde nach Rom. Das medizinische Personal vom Sklaven bis zum hochgebildeten Arzt stammte meist aus Griechenland. Besonders wichtig für den weiteren Fortschritt der Medizin war der griechischrömische Arzt Galenus von Pergamon, dessen umfangreiches Werk für Jahrhunderte maßgeblich werden sollte. Er gab beispielsweise der Humoralpathologie (Viersäftelehre) ihre endgültige Gestalt, die sie als grundlegendes Krankheitskonzept bis ins 19. Jahrhundert behalten sollte. Von Griechenland aus kam die Medizin über Persien nach Ägypten und zu den Arabern. Die griechischen und lateinischen Texte wurden teils ins Arabische übersetzt, aber auch im Original übergeben. Nun erst begannen wieder die Bemühungen der Ärzte, die es nach einer so radikalen Kur begreiflicherweise nicht verhindern konnten, dass der Patient am nächsten Morgen starb“. Magie und Wunder „Den Ärzten der Zeit fehlte jenes „Vorauswissen des Kommenden“, das nach Hermann v. Helmholtz (Mediziner, 1821-1894) echtes Wissen kennzeichnet. Es fehlte die Einsicht in die Ursache, in das Wesen und den Verlauf der Krankheiten. Die Kenntnis von den Heilmitteln beruhte auf einer Empirie, die nicht ausreichte, um deren Wirkung zielhaft zu lenken. Überdies entsprach es der damaligen Zeit, Krankheit als eine übernatürliche Angelegenheit zu betrachten, die wundersame Behandlung abverlangte, wie Magie und Religion sie boten und wie sie die öffentliche Meinung mit Vertrauen belohnte“, zitiert Dr. Schlöss Leopold Schönbauers „Das Medizinische Wien“, Berlin/Wien 1944. Einen Abstecher in das medizinische Handeln der Neuzeit unternimmt Maria Thiel, Breitenfurt: „Den Wissenschafter und Nobelpreisträger Konrad Lorenz kennt die heutige Generation, doch sein Vater Dr. Adolf Lorenz (geboren am 21. April 1854 in Weidenau, heute Tschechische Republik, gestorben am 12. Februar 1946 in Altenberg/NÖ) ist vielleicht nicht mehr allen Zeitgenossen ein Begriff. Er war der Begründer der modernen Orthopädie und von 1889 bis 1926 Direktor der orthopädischen Universitätsklinik in Wien. Lorenz schuf das Prinzip des „modellierenden Redressements“ (das Zurechtkneten der Fehlform), wodurch die Heilung des Klumpfußes gelang. Für krumme Röhrenknochen erfand er den unblutig gezielten Knochenbruch. Weltruhm erlangte er durch die „unblutige Einrichtung der angeborenen Hüftverrenkung“. Nach seiner Pensionierung war er in Amerika tätig. Unter anderem erhielt er den Billroth-Preis und die Goethe- Medaille, den Nobelpreis verfehlte er nur knapp“. Die Zeitreisende widmet sich aber auch berühmten Leibärzten der Geschichte: „Eine erstaunliche Erkenntnis tritt zutage: je mächtiger die Herrscher, desto größer ihre Abhängigkeit von Ärzten, Quacksalbern und Wunderheilern. Die Leibärzte genossen nicht nur zahlreiche Privilegien, sondern gewannen auch in kaum zu unterschätzendem Maße direkten Einfluss auf politische Entscheidungen. Dr. Paul Niehans hat dem mit dem Tode ringenden Papst Pius XII. das Leben gerettet und vier weitere Jahre geschenkt (für Ärzte war im Vatikan, wo Unsterblichkeit zum Prinzip erhoben ist, nie Platz. Notfalls bediente man sich ihrer Kunst klammheimlich).

Dr. Bernhard von Gudden unterschrieb mit dem Paranoia-Gutachten für Ludwig II. nicht nur das Todesurteil des Königs, sondern auch sein eigenes. Dr. Ross McIntire verschwieg aus politischen Gründen der US-Öffentlichkeit und Präsident Franklin D. Roosevelt selbst eine alarmierende Diagnose, damit Roosevelt an der Konferenz von Jalta teilnehmen konnte. Der römische Kaiser Marc Aurel fand unter seinem Leibarzt Galenus ein vorzeitiges Ende.“ Einer medizinischen Wildwest- Anekdote widmet sich Manfred Korinek, Wien 14: „Eines Tages fand man einen Rindermann, der tot aus dem Sattel gefallen war. Der damalige Arzt, der den Leichnam untersuchte, stellte wie so oft Tod durch Überanstrengung fest. Das Einzige, das der Verstorbene seiner Familie hinterließ, waren seine besonders schön gearbeiteten Cowboystiefel. Als sein Sohn, der am Sterbetag des Mannes noch ein Kind gewesen war, mit 18 Jahren die Größe seines Vaters erreicht hatte, übergab ihm seine Mutter die Stiefel ihres verstorbenen Gatten. Hocherfreut probierte der Bursche die Stiefel, die ihm wie angemessen passten. Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck, und mit Entsetzen musste die Mutter mit ansehen, wie ihr Sohn zu Boden fiel und wenig später verstarb. Erst als einer der Anwesenden dem Jungen die Stiefel auszog, fand man die Ursache der beiden Todesfälle, die über zehn Jahre auseinander lagen. Der Zahn einer einst riesigen Klapperschlange, der aus dem Stiefelschaft kollerte, hatte seinerzeit nicht nur den Vater, sondern Jahre später auch den Sohn getötet“. Der Tüftler fand die Angaben in alten Chroniken; fragt sicher aber, ob sich der Fall wirklich so zugetragen haben kann: „Die Meinung von Fachleuten wäre sehr interessant“. (WZ)