Wenn Medikamente Osteoporose induzieren

Eine Reihe von Medikamentengruppen werden mit der Entstehung oder Verstärkung von Osteoporose bzw. Fragilitätsfrakturen in Zusammenhang gebracht: Antiepileptika

Antikoagulanzien, die medikamentöse Hormondeprivation, die hochaktive antiretrovirale Therapie und Immunsuppressiva (Calcineurininhibitoren). Aber auch Mittel, die man nicht mit Osteoporose in Verbindung bringen würde, könnten negative Effekte auf das Skelett haben, wie Protonenpumpenhemmer, Antazida und Glitazone.

Antiepileptika (AE) Patienten mit Epilepsie haben ein ca. 6-fach höheres Frakturrisiko als die normale Bevölkerung. Verschiedene AE steigern den Knochenumsatz, verstärken den altersgemäßen Knochenmineralverlust oder haben andere Effekte (Vitamin-D-Metabolismus, Parathormon, Aromatase etc.), die sich indirekt negativ auf den Knochen auswirken. Das Frakturrisiko wird durch Oxcarabazin, Valproat, Carbamazepin, Phenytoin, Clonazepam und Phenobarbital um 15 bis 80% im Vergleich zu Nichtusern erhöht (Phenobarbital = höchstes Risiko), wie eine Fall-Kontroll-Studie von Vestergaard zeigt. Das Frakturrisiko für einige AE ist von der kumulativen Dosis abhängig und enzyminduzierende AE haben stärker negative Wirkungen als nichtinduzierende.

Orale Antikoagulanzien (OAK) Die durch OAK bewirkte Hemmung der ?-Carboxylierung von Knochenmatrixproteinen könnte negative Auswirkungen auf die Knochendichte/-stabilität haben. Eine Reihe von Querschnittsuntersuchungen aus früherer Zeit scheint dies auch zu bestätigen. In einer Metaanalyse von Caraballo lässt sich allerdings nur am ultradistalen Radius eine signifikante Knochendichteminderung nachweisen. In den prospektiven Populationsstudien aus den USA (SOF bei postmenopausalen Frauen und MrOs bei Männern) zeigen sich aber weder bei Studieneintritt noch im Beobachtungsverlauf Unterschiede in der Knochendichte im Vergleich zu Nicht-OAK-Usern. Auch bei den Frakturen konnte in 3,5 Beobachtungsjahren kein Unterschied gefunden werden. Auch die Frakturinzidenz war nicht unterschiedlich. OAK haben also offenbar marginal negative Effekte auf die Knochendichte, steigern aber nicht das Frakturrisiko.

Unfraktioniertes Heparin (UFH) Ganz anders ist es mit dem UFH. Bereits seit 1965 gibt es eine Vielzahl von Berichten über multiple Wirbel- und Rippenfrakturen bei Patienten, die mit UFH behandelt wurden. Das betrifft Indikationen wie Thromboembolie oder Vorhofflimmern, aber auch Thromboembolieprophylaxe in der Schwangerschaft. Es handelt sich aber fast ausschließlich um kleinere nicht kontrollierte Studien. Von Griffith et al wurden Fragilitätsfrakturen bei 6/10 UFH-Behandelten nach 8–30 Behandlungsmonaten mit Dosen von 15.000–20.000IE tgl. berichtet. In einer schwedischen Untersuchung waren es 6% bei Schwangeren mit einer Behandlungsdauer ab 5 Monaten und in einer randomisierten Studie aus Spanien bei Patienten mit Thromboembolie waren es 15%. Die Knochendichte zeigt im Vergleich zu Kontrollen offenbar keine signifikanten Veränderungen. UFH führen in Dosen ab 10.000IE tgl. und einer Behandlungsdauer ab zwei Monaten zu einer deutlichen Erhöhung des Risikos für multiple Wirbel- und Rippenfrakturen, wobei kein Zusammenhang mit der Knochendichteänderung zu bestehen scheint – eine Situation, die stark an die Steroidosteoporose erinnert.

Niedermolekulare Heparine (LMWH) Die Auswirkungen der LMWH auf den Knochenstoffwechsel sind insgesamt geringer (auch in Knochenzellkulturen) als die von UFH und dementsprechend ist auch das Frakturrisiko geringer. In einer spanischen randomisierten Studie lag dieses bei 2,5% bei 2×5.000IE Dalteparin tgl.

Aromataseinhibitoren (AI) Die reversiblen AI Letrozol und Anastrozol und die irreversiblen AI Exemestan und Formestan werden in der Rezidivprophylaxe des Mammakarzinoms eingesetzt. Durch die starke Suppression der Östradiolbildung wird der Knochenumsatz um 40–50% gesteigert und die Knochendichte nimmt jährlich um 1,2–2% signifikant vs. Placebo ab. Das Frakturrisiko ist gegenüber Tamoxifen um signifikante 42–100% erhöht. Für Exemestan zeigte sich eine nicht signifikante Risikoerhöhung von 35% vs. Tamoxifen und um 24% vs. Placebo. Die jährlichen Frakturinzidenzen liegen bei 2–3% für Anastrozol. Aromataseinhibitoren erhöhen das Frakturrisiko gegenüber Tamoxifen, wobei es nicht gesichert ist, dass Exemestan wirklich einen Vorteil bietet.

Androgendeprivationstherapie (ADT) Querschnittsuntersuchungen bei Männern mit Prostatakarzinom unter ADT mit GnRH-Agonisten ± Antiandrogenen zeigen eine Prävalenz von Osteopenie bis 51% und Osteoporose bis 27%. Eine ADT führt zu einem jährlichen Knochendichteverlust von ca. 3%. Das relative Risiko für Frakturen ist um 25–36% erhöht. Dieses erhöhte Frakturrisiko ist mit dem einer Orchiektomie vergleichbar. Dennoch erhält nur ein sehr kleiner Prozentsatz der Männer eine Osteoporoseprophylaxe oder -therapie, obwohl diese mit Bisphosphonaten möglich ist.

Hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) Eine HIV-Erkrankung ist in verschiedenen Querschnittsuntersuchungen mit einer erhöhten Prävalenz von Osteopenie bis 67% und Osteoporose bis 20% assoziiert. Die meisten der Patienten standen dabei unter einer HAART. Proteinaseinhibitoren und nukleosidale reverse Transskriptaseinhibitoren haben negative Einflüsse auf Knochenstoffwechsel und -mineralisation. Es gibt aber keine konsistenten Studienergebnisse, die den Einfluss dieser Mittel auf das Osteoporoserisiko quantifizieren lassen. In einzelnen Studien wird sogar über eine Verbesserung berichtet.

Calcineurininhibitoren Ähnliches gilt für Cyclosporine und Tacrolimus, welche die Knochenresorption steigern, die Knochenbildung hemmen und den negativen Effekt von Kortison am Skelett verstärken. Sie werden aber fast immer gemeinsam mit Kortison verabreicht, so dass sich deren Wirkung am Skelett schwer quantifizieren lässt. Es gibt auch Studien, die durch eine Verbesserung der Grundkrankheit positive Auswirkung am Knochen zeigen. Eine rezente Fall-Kontroll-Studie aus Dänemark findet auch kein erhöhtes Frakturrisiko bei Patienten, die Cyclosporin A nehmen, im Vergleich zu Nichtusern.

Antazida und PPI PPI und Antazida erhöhen den pH-Wert des Magensafts und dürften so zu einer verminderten Resorption von schwer löslichen Kalziumsalzen führen. Das scheint sich negativ auf die Knochenstabilität auszuwirken. Zwei große Fall-Kontroll-Studien aus Dänemark und England finden ein 50–60% höheres Hüft- bzw. Wirbelfrakturrisiko unter PPI vs. Nichtuser. Das Risiko ist von der Dosis und Therapiedauer abhängig. Beim Gebrauch von Antazida ist das Risiko um 80% bzw. 100% erhöht. Zusammenfassend kann man festhalten, dass eine Reihe von Medikamenten mit einem erhöhten Osteoporose- bzw. Frakturrisiko assoziiert ist (Tab.). Dieses Risiko sollte in die Risikostratifizierung für osteoporotische Frakturen mit einfließen, so wie eine niedrige Knochendichte, eine schon erlittene Fraktur, eine frühere Kortisontherapie, eine Hüftfraktur der Eltern, Rauchen etc. Dementsprechend sollten dann Maßnahmen zur Prophylaxe bzw. Therapie der Osteoporose getroffen werden.

Autor: Ass.-Prof. Dr. Gerd Finkenstedt, Endokrinologische Ambulanz, Abteilung für Allgemeine Innere Medizin, Medizinische Universität Innsbruck