„Die wenigsten stellen Behinderte ein!”
[aus ZAK 26] Es hat sich nichts verbessert. Zum zehnten Mal hat die Grünen-Abgeordnete Theresia Haidlmayr das Sozialministerium nach der Einstellungsquote von behinderten Arbeitnehmern befragt.
Drei Bundesländer haben ihre Quote erfüllt: Oberösterreich, Steiermark und Kärnten. Die anderen Länder zahlen die Ausgleichstaxe von jeweils 196 Euro für mehr als 2.000 nicht besetzte Planstellen. „Wien ist am allerschlimmsten”, meint Haidlmayr im Gespräch mit der „ Wiener Zeitung “. In Wien sind 855 Arbeitsplätze nicht besetzt. An zweit- und drittletzter Stelle befinden sich Tirol (399) und Niederösterreich (395). Von den Ministerien mit großem Personalstand erfüllt das Finanzressort seine „Behindertenquote”.
Das Finanzministerium sowie das Sozial-, Wirtschafts- und Gesundheitsministerium und das Bundeskanzleramt beschäftigen mehr Menschen mit Behinderung, als die Mindestquote vorsieht. In den Ministerien für Bildung, Justiz, Verteidigung und Inneres arbeiten 1.900 behinderte Mitarbeiter zu wenig. Wien erfüllte die Quote im Bereich der „engeren Hoheitsverwaltung”, heisst es aus dem Büro der Wiener Personallandesrätin Sonja Wehsely. Unterschritten werde sie bei Landeslehrern, Hausbesorgern und bei den Stadtwerken. Hier sei es auf Grund der spezifischen Job-Anforderungen aber oft nicht möglich, die Quote zu erfüllen. Ähnlich lautet die Argumentation des Bildungsministeriums, das mit mehr als 34.000 Mitarbeitern der größter Bundes-Dienstgeber ist: In der allgemeinen Verwaltung werde die Behindertenquote erfüllt, das Minus komme aus dem Lehrerbereich.
Einen Gehörgeschädigten als Lehrer anzustellen, sei schwieriger, als in der Verwaltung. Derzeit dürfen Behinderte im Pflichtschulbereich nicht arbeiten. Damit sei es nicht einmal möglich, dass gehörlose Kinder von einem gehörlosen Lehrer unterrichtet werden, kritisiert Haidlmayr. Sie hofft, dass die im Juli getroffene Absichtserklärung aller vier Parteien zur Entschärfung des Berufsverbots für behinderte Menschen im Pflichtschulbereich umgesetzt wird.
Die OMV – Österreichs nach Umsatz größtes Unternehmen – beschäftigt insgesamt 6.137 und österreichweit 4.296 Mitarbeiter. „Wir sind gesetzlich verpflichtet, 120 behinderte Personen zu beschäftigen. Bei uns arbeiten 159″, berichtet Thomas Huemer von der OMV-Pressestelle. Aus Huemers Sicht sei das Klima – wie er sagt -„sehr menschlich”. Pro Abteilung kümmere sich eine Person um den behinderten Mitarbeiter – auf freiwilliger Basis, betont Huemer: „Es heißt nicht: Du musst dich um den kümmern. Ein Mitarbeiter führt zum Beispiel einen blinden Arbeitnehmer in die Kantine. Wir haben ein gutes Klima. Bei den ÖBB sind 3% der 47.000 Arbeitnehmer Menschen mit Behinderung. „Der Anteil ist nicht so hoch, wie er sein könnte”, meint Andreas Rinofner, ÖBB-Pressesprecher. Er führt das auf den Mitarbeiterabbau von 1.500 Personen jährlich zurück. „Wir haben eigene Sozialarbeiter, die für Menschen nach einem Arbeitsunfall da sind. Der Verschub zum Beispiel ist eine relativ gefährliche Tätigkeit. Man stelle sich vor: Jemand verliert einen Arm oder ein Bein”, berichtet Rinofner. Die vier Sozialarbeiter (jeweils in Wien, Linz, Villach und Innsbruck) kümmern sich u.a. um die Wiedereingliederung der Betroffenen. Behinderte, die bereits bei den ÖBB arbeiten, könnten sich außerdem – je nach Grad der Behinderung – 2-5 Tage Sonderurlaub pro Jahr nehmen.
Die Bank Austria Creditanstalt liegt mit 177 behinderten Mitarbeitern unter ihrem Sollwert von 487. „Die Zahl stimmt. Wir haben aber 90 Mitarbeiter im Haus, die eine Behinderung von unter 50% haben, und deshalb nicht in das Gesetz fallen”, sagt Tiemon Kiesenhofer, BA-CA-Pressesprecher. Wie Rinofner von den ÖBB gibt auch Kiesenhofer als Grund für den niedrigen Wert „Personalreduktion” an. „Bei einer Neuaufnahme ist, Behinderung` aber natürlich kein Thema”, erklärt Kiesenhofer. „Hier zählt die Qualifikation des Interessenten.” In welchen Bereichen die in der BA-CA beschäftigten behinderten Mitarbeitertätig seien, ließe sich schwer sagen. „Oft ist es schwierig, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. In den Büros der Zentralen ist es leichter, als in vielen Produktionsbetrieben”, stellt Nicole Berkmann, Pressesprecherin bei SPAR, fest.
Nicht in allen Unternehmen würde die Quote erreicht, eine genaue Zahl könne sie nicht nennen. „Kein Freikauf“ Öffentliche und staatsnahe Unternehmen sollen sich nicht freikaufen können”, fordert Haidlmayr. Im privaten Sektor könne nach Vorstellung Haidlmayrs der Freikauf weiterbestehen – allerdings zu wesentlich höheren Konditionen als bisher. „Die Zahlungen sollen in der Höhe eines durchschnittlichen Gehalts inklusive Lohnnebenkosten liegen. Damit wird es gleich attraktiv, jemanden einzustellen, oder nicht”, schlägt Haidlmayr vor. SP-Behindertensprecherin Christine Lapp spricht sich ebenfalls für höhere Strafzahlungen jener Unternehmen aus, die zu wenige behinderte Mitarbeiter einstellen. Es sei aber auch wichtig, Unternehmen vermehrt für das Thema zu sensibilisieren. „Nur über Sanktionen wird man dem Anspruch der Betroffenen, einen sinnvollen und produktiven Arbeitsplatz zu erhalten, nicht wirklich gerecht”, meint Lapp. „Unternehmen gehören stärker informiert und darauf hingewiesen, dass behinderte Menschen keine, armen Hascherln` sind, sondern durchaus vollwertige und belastbare Arbeitskräfte darstellen, die dem Betrieb auch einen Nutzen bringen”, sagt Lapp. Für ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg wäre die Erhöhung der Ausgleichstaxen im Behinderteneinstellungsgesetz derzeit „eine richtige Maßnahme zum falschen Zeitpunkt”.
Im öffentlichen Dienst spricht sich Huainigg für eine positive Diskriminierung von Behinderten aus. FP-Behindertensprecherin Helene Partik-Pable äußert sich diesbezüglich skeptisch. Bevorzugung von Behinderten bei gleicher Qualifikation könne schwierig sein, „weil Behinderte meistens irgendwo ein Handycap haben, kann ich mir nicht vorstellen, ob es Fälle gibt, bei denen sie gleiche Voraussetzungen haben”. Keine Kündigung? Nicht nur Huainigg sieht Probleme beim Kündigungsschutz von behinderten Arbeitnehmern. Viele Unternehmen befürchten, einen behinderten Arbeitnehmer „nie wieder los zu werden.” „Das stimmt absolut nicht”, sagt Haidlmayr und nennt ein Beispiel: Die Probezeit dauert regulär ein Monat, für behinderte Arbeitnehmer gilt sie sechs Monate.
„Außerdem handelt es sich um einen Kündigungsschutz und nicht um ein Kündigungsverbot”, erklärt sie. Sie kenne „keinen einzigen” behinderten Dienstnehmer, den der Arbeitgeber – aus welchen Gründen auch immer – nicht länger im Betrieb haben wollte und der noch beschäftigt sei.
Quelle: WZ/Chr. Zeiner